Polestar 3 meets Peugeot 3008 Mild Hybrid und voll elektrisch

„Ich habe gar keinen RFID Code“ …

Drei SUV – zwei vollelektrische, einer davon maximal digital, die anderen ein Mild Hybrid und ein voll elektrischer SUV und ziemlich digital. Außer dass beide Marken mit einem P beginnen, haben sie recht wenig Gemeinsamkeiten.

Polestar3 07Einer der beiden vollelektrischen SUV ist klar gesetzt, der Polestar 3. Die Modelle der schwedischen Marke in chinesischer Geely Hand sind zu hundert Prozent als Stromer konzipiert. Allerdings nicht von Anfang an – das Urmodell, der Polestar 1 (2018 – 2021) war ein Plugin-Hybrid. Danach verkündeten die Schweden, nur noch reine Elektroautos zu produzieren. Eine Art „Electric Only“ des Ola Källenius, der CEO und Schwede bei Mercedes-Benz. Dessen plakatives Vorpreschen lief, wie wir unterdessen wissen und was man bei dieser vielseitigen und traditionsreichen Marke auch unschwer hätte vorhersehen können, gründlich schief. Mit dem Ergebnis, dass Källenius harsch den Kurs wechselte, auf elektrisch plus Verbrenner. Zusätzlich musste er sich von seiner blindlings verkündeteten Luxusstrategie verabschieden. Um ein Vielfaches einfacher ist es natürlich für ein komplett neues Unternehmen, von null Modellen auf rein elektrisch umzustellen. Das also der Polestar Weg. Ist doch Polestar nur eine (kleine) Marke im großen Geely Konzern, zu dem vor allem Volvo oder auch Lynk & Co oder Smart gehören.

Ok, rein elektrisch. Polestar war so gütig, uns eine Ladekarte mitzuliefern. So konnten wir mühelos laden mit der deutschlandweit problemlos nutzbaren EnBW Ladekarte. Nicht so großzügig war Peugeot, der solide Franzose im Stellantis Universum. Prompt wurde das Laden zum Alptraum. Zumal der SUV mindestens das Doppelte an Reichweite im Vergleich zu den zurückgelegten Kilometern fraß. Und das im Eco-Modus.

Peugeot 3008 05

Wir erhielten das Fahrzeug gerade mal mit 80 Prozent geladen. Auf dem Tacho standen 400 Kilometer Reichweite… die schmolzen schneller dahin als der wenige Tage später erste Industrieschnee in unseren Breiten.
Ladeversuch im Parkhaus, das Ladesäulen hat: Kaum war der Stecker eingesteckt, hieß es: RFID Code bitte. Was bitte? Wir mussten unverrichteter Dinge abbrechen –
Wir „haben gar keinen solchen Code“, um an den unvergessenen Spot mit Bruno Maccalini, dem Cappuccino-Mann und dessen „isch abe gar kein Auto“ und langjährigen Lebensgefährten der Schauspielerin Jutta Speidel, zu erinnern.

Wozu sollten wir auch einen RFID Code haben? Und die App mit Tankstellen nützt uns auch nichts, denn sobald eine Säule angefahren wurde, funktionierte der Zahlvorgang nicht. Denn privat fahren wir einen Verbrenner und das hoffentlich noch viele Jahre. Nachhaltiger geht es nicht.

The „German Reichweitenangst“ is here to stay...

Ja, die Sache mit dem Laden– aber halt, es soll ja alles besser werden. Kürzlich war wieder zu lesen, das Laden von E-Autos solle einfacher werden. Das sei das erklärte Ziel der Bundesregierung. Schließlich hat doch das Kabinett einen „Masterplan Ladeinfrastruktur 2030“ beschlossen. Und tatsächlich, man lese oder höre und staune: „Beim Bezahlen und der Abrechnung soll Laden nicht komplizierter sein als Tanken.“ – Genau das war und ist nämlich unser Problem – es nützt uns wenig, per App zu wissen, wo wir laden können, wenn wir weder mit EC Karte noch mit unserer Amex bezahlen können. Es sollte dann so sein wie bei Tankstellen, an denen man vorbestimmte Mengen tanken, dann also laden, kann – und dann bezahlt man durch Einstecken seiner Kreditkarte. Alle Kreditkarten müssen erlaubt sein.

Da das aber hierzulande nicht funktioniert, rollten wir mit unserem wunderschönen metallic petrolfarbenen SUV an die Ladesäulen des regionalen Stromversorgers vor der verlängerten Haustür. Neuer Versuch. Ohne Erfolg. Wir betätigten den Telefonknopf an der Säule und hatten Glück, ein Herr nahm ab, hörte zu, sagte: „Ich schalte Ihnen die Anlage frei.“ Wir bekamen die Rechnung dann per Post ! In einer fremden Stadt wären wir havariert. ... Das kann‘s nicht sein.

Ein Grad Celsius oder ein paar Grad unter null und der Verbrauch steigt ins beinah Unermessliche…

Peugeot 3008 01

Unser Franzose ist eigentlich ein prima Auto. Eigentlich. Vor die Wahl gestellt, würden wir immer den Mild Hybrid wählen. Den fuhren wir zuerst und waren komplett zufrieden. Er ist energieeffizient, rekuperiert ganz ordentlich via Mild Hybrid, muss also nicht geladen werden. Einen Plugin-Hybrid würden wir zwar auch fahren, aber ohne laden zu können, ist das witzlos, weil dann der Verbrauch zu hoch ist. Beim Mild Hybrid taucht erstens keine Reichweitenangst auf, der Tankvorgang ist rasch und wir erzielen deutlich erfreulichere Reichweiten, nicht zuletzt dank Rekuperation.

Tatsächlich ist ein MHEV immer effizienter im Vergleich zum reinen Verbrenner. Das ist gut fürs eigene Portemonnaie, aber natürlich auch für die Umwelt. Denn gerade bei Stadtfahrten zeigte er sich genügsam und hatte somit niedrigere CO2-Werte, als sie bei einem vergleichbaren Verbrenner anfallen würden.

Für uns das Hauptargument für den MHEV: es braucht keine Ladeinfrastruktur, das schwere Ladekabel im Kofferraum entfällt. Natürlich erlaubt der Mild Hybrid kein elektrisches Fahren über längere Strecken, der Motor springt nach wenigen hundert Metern wieder an – die Ruhe ist hin, die auch wir beim rein elektrischen Peugeot 3008 sehr genossen haben.

Peugeot 3008 07

Doch sieht man von der angenehmen Stille ab, bleibt die recht geringe Reichweite des 3008 BEV ein Dorn im Auge. Bei den ersten kalten Tagen, die für rein elektrische Fahrzeuge immer noch eine Herausforderung sind, übertraf der Reichweiten“fraß“ alle unsere Erwartungen. Für 17 Kilometer verloren wir 51 Kilometer Reichweite! Im Eco Modus! Für den Kurztrip ins Parkhaus zum Wochenendeinkauf bei minus drei Grad verloren wir 9 Kilometer für 2 Kilometer Entfernung ! Und das bei einer insgesamten Reichweite laut Anzeige von 488 Kilometer, wenn die Batterie zu hundert Prozent geladen ist. Das wäre erträglich, wenn die Energie nicht so schnell verpuffen würde.

Klar, der Allradantrieb unseres Fahrzeugs kostet Reichweite. Die Systemleistung beträgt 240 kW (325 PS), die Batteriekapazität beträgt 73 kWh. Faktisch kamen wir auf eine Reichweite von maximal 270 Kilometern. Das ist eindeutig zu wenig, wenn keine Wallbox ohne Bezahlschranke wenigstens kurz vor der heimischen Haustür vorhanden ist.

Polestar3 01

Anders haben wir den Polestar 3 in Erinnerung. Gut, er hat eine sehr große Batterie – mit einer Reichweite laut Polestar, je nach Batteriegröße, von bis zu 703 Kilometer beim Long Range Single Motor, immer noch 567 Kilometer beim Long Range Dual Motor Performance. Jeweils laut Polestar. Wir kamen naturgemäß auf weniger Reichweite. Die 111 kWh-Batterie ist sogar größer als die beim Mercedes-Benz EQS (108 kWh). Von einer ähnlichen Reichweite kann der Peugeot 3008e nur träumen. Dabei ist er mit einem Gewicht von rund 1.900 Kilogramm deutlich leichter als der Polestar 3 (ca. 2.400 kg).

Und natürlich kostet der Polestar ein Vielfaches, ist als SUV im Luxussegment angesiedelt. Im Gegensatz zum Peugeot, der mit einem Einstiegspreis von etwa 48.000 Euro eine gut gestellte Mittelschicht ins Visier nimmt. Der Polestar 3 dagegen beginnt bei knapp 80.000 Euro für den Long Range Single Motor oder 2.000 Euro mehr für den Long Range Dual Motor in der Grundausstattung. Voll ausgestattet schlägt er mit 103.000 Euro zu Buche.

Alles auf eine Karte

Ein aus unserer Sicht großer Nachteil des Polestar 3 ist die rein digitale Ausstattung – bis hin zum Autoschlüssel. Schlüssel? Alles ist auf einer hauchdünnen Karte hinterlegt. Dünner als die übliche Kreditkarte, so dünn wie eine Visitenkarte. Wir wollen uns nicht vorstellen, wie oft Polestar Fahrer deshalb liegenbleiben, weil der männliche Fahrer die Karte gedankenverloren in der hinteren Hosentasche lassen, um sich dann drauf zu setzen.

Und: Das Auto lässt sich ausschließlich über die Fahrertür entriegeln. Falls nicht schon geschehen, sollte das dringend wieder geändert werden. Denn zumindest die Beifahrertür sollte mit diesem Kärtchen auch zu öffnen sein, zumal man sich in engen Parksituationen bisweilen mehr oder weniger agil über die Mittelkonsole auf den Fahrersitz hieven muss. Kurzum: Alles auf eine Karte, nein ein Kärtchen zu setzen, halten wir für sinnfreie Spielerei.

Auch sonst ist im Polestar alles minimalistisch, gibt sich dabei aber hochwertig, eben Luxussegment. Der Touchscreen mit seinem Infotainmentsystem ist bar jeglicher Knöpfe oder Schalter. Das ist schade. Klar, es kostet weniger in der Herstellung.

Das Head-up-Display ist optional. Unser Testwagen war mit einem solchen ausgestattet. Was für ein Glück. Denn nachdem das Fahrzeug in der Juli-Sonne gestanden war, fiel der Touchscreen komplett aus. Ohne Head-up Display hätten wir im Blindflug fahren müssen… Was die Tests in der Wüstenhitze ergeben haben, hätte uns interessiert. Im Vergleich dazu sind hiesige Temperaturen noch recht human. Aber da dies zweimal passierte, bleibt die Vermutung, dass dem Hersteller dieses gefährliche Manko bekannt sein müsste.

Im Vergleich dazu loben wir uns in vielerlei Hinsicht den Peugeot 3008, egal ob als MHEV oder rein elektrisch. Er hat trotz Keyless Go einen Schlüssel. Den haben wir mit Freude in eine extra Schnur eingehängt, um diese dann an der Handtasche zu befestigen. Sie wissen schon – Frauenhandtaschen tendieren dazu, Gegenstände einfach zu verschlucken.

Bring back the buttons – Zurück zu den Knöpfen, bitteeee!

Früher bemängelten wir den ‚Krieg der Knöpfe‘, weil sich die Autohersteller noch nie auf ein einheitliches System verständigen konnten. Es ist ja nicht zuletzt eine Frage des Designs, wie das Interieur aussehen soll – was wo sitzt, in welcher Form. Jetzt gäben wir viel dafür, einige dieser Knöpfe oder Toggles wiederzusehen.

Stattdessen ist die Tendenz: alles voll digital – wisch und weg... ist der Befehl. Und wer weiß, wo man aus Versehen gelandet ist. Extrem digital ist es bei Polestar. Von Tesla wollen wir gar nicht erst reden – wir mochten die Marke noch nie. Noch weniger die „Philosophie“, die sie verkörpert.

Da ist Polestar aus anderem Holz, nein Blech. Touch Wood? Nein, Holzvertäfelungen wie in edlen Riva Booten sehen wir fast nur noch bei Classic Cars und einigen atemberaubend schönen Mercedes-Benz Lkw. Letztere haben eine hehre Tradition und Historie. Das schafft Vertrauen.

Zu einem Fahrzeug gehört einfach ein Schlüssel – schlimm genug, wenn man diesen nicht mehr mit einem wertigen Anhänger versehen kann, weil keine Öse mehr vorhanden ist. Beim Peugeot 3008 geht das noch und mutet fast schon wie aus der Zeitgefallen an.

Vor allem aber hat Peugeot wieder zumindest ein paar wenige Toggles und Schalter. Nicht nur Digitales. Das erhöht nicht nur die gefühlte Wertigkeit des Fahrzeugs, es macht schlichtweg Spaß, mit der Hand wieder etwas drücken oder drehen zu können, ohne auf einem Screen zu verrutschen.

Das Comeback des Michael Lohscheller

Die Absatzzahlen geben dem Kurs von Polestar aber bislang Recht. In den ersten neun Monaten des Jahres erzielte das Unternehmen unter seinem neuen Chef Michael Lohscheller ein Wachstum von 36 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Letztes Jahr dagegen galt es insgesamt noch ein Minus von 15 Prozent verzeichnen. Das war sicherlich auch der Grund für den Wechsel von Thomas Ingenlath, der von Anfang an das Gesicht von Polestar war, zu Lohscheller.

Lohscheller erhielt viele Vorschusslorbeeren. „Michael Lohscheller ist die ideale Persönlichkeit, um Polestar in eine neue Ära zu führen“, ließ der Vorstandsvorsitzende Winfried Vahland verlautbaren. Klar, Lohscheller kann als Automobilmanager auf viele Jahre bei VW und Opel zurückblicken. Zuletzt allerdings war er nur sehr kurz bei Vinfast und dem Lkw-Hersteller Nikola. Bleibt abzuwarten, wie lange er bei Polestar verweilen wird oder darf.

Einen Schritt zurück, denn weniger ist mehr

Noch futuristischer wird’s beim Polestar 4, dem Crossover zwischen Coupé, SUV und Limousine. Er spart sich die Heckscheibe und ersetzt den gewohnten Spiegel durch einen digitalen Rückspiegel – daran gewöhnt man sich schnell. Allerdings wollen wir uns nicht vorstellen, was passiert, wenn wegen Hitze wieder der gesamte Touchscreen ausfiele..

Polestar3 03

Das konnten wir nicht testen. Denn der Polestar 4, den wir direkt im Anschluss an den Polestar 3 bekommen sollten, kam nie. Es hieß, ein Kollege habe das Fahrzeug so gecrasht, dass man es tauschen müsse. Ob’s am digitalen Rückspiegel lag?

Bei all den Neuerungen der Technik bleibt uns zu sagen: Weniger ist mehr. Davon immer ausgeschlossen sind Weiterentwicklungen in der Antriebstechnik, Batteriestruktur und Effizienz des gesamten Fahrzeugs. Aber ob es immer noch mehr „SmartZone“ braucht, wie Polestar ihre digitale Intelligenz nennen?

Deshalb: Hätten wir bei den Autos des Jahres von Auto Motor Sport zum Beispiel ein Auto gewonnen und die Wahl zwischen einem Polestar 3 und einem Peugeot 3008 Mild Hybrid, wäre die Wahl klar. Wir würden einen luxuriös ausgestatteten Peugeot vorziehen und wären mit weniger Gegenwert vollauf zufrieden.

Polestar wird in den kommenden Jahren weiter darauf setzen, die globale Präsenz weiter auszubauen. Wer kauft ein solches Auto? All diejenigen vielleicht, die mit einem Fahrzeug unterwegs sein wollen, in dem sie auffallen. Oder doch lieber nicht?